New Work nur im Büro und nicht in der Fertigung? Eine Frage der Qualifizierung

Für Büroarbeitsplätze sind flexible Arbeitszeiten schon lange Alltag. Spätestens mit Corona ist auch der Arbeitsort inzwischen bei den meisten Bürotätigkeiten nicht mehr relevant und Mitarbeiter arbeiten von ihrem Wunschort aus. Hier ist das inzwischen ein De-Facto-Standard und wird von den meisten Unternehmen (uns eingeschlossen) ermöglicht. Der Büromitarbeiter ist damit so flexibel, wie wir uns das nur vorstellen können. Wann und wo gearbeitet wird, teilweise auch was, entscheiden die Kollegen jetzt eigenverantwortlich und trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen –  funktioniert alles. Das klingt eigentlich zu schön, um wahr zu sein. 

Aber was ist mit unseren Kollegen in der Fertigung? Gibt es für die auch einen Platz in dieser schönen neuen Arbeitswelt? 

Bislang kaum Flexibilität in der Fertigung

Bisher ist es noch häufig so, dass Kollegen aus der Fertigung für einen Termin einen Tag Urlaub nehmen, weil sie sonst ja arbeiten müssten. Ein Büromitarbeiter arbeitet anstelle dessen einfach später, früher oder unterbricht die Arbeit. 

Klar, den Ort kann die Produktion kaum flexibel gestalten.

In meinem Lehrbetrieb gab es damals Heimarbeit. Da kamen Mitarbeiter regelmäßig und haben Material nach Hause mitgenommen und Fertigware gebracht. Da waren diese Kollegen aus der Fertigung vor 25 Jahren flexibler als die Kollegen aus dem Büro damals. Das endet aber spätestens mit der Nutzung von Maschinen und bei Produkten, bei denen das Volumen ein zu häufiges Pendeln nötig macht. Damit scheidet dies bei uns in der Regel aus.

Aber zumindest, wann die Kollegen in der Fertigung arbeiten, wäre doch eigentlich egal, solange sie ihre Arbeit erledigen, oder?

Beim Einsatz teurer Maschinen, bspw. in der Elektronikfertigung in unserem Werk in Königs Wusterhausen, ist es zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit nötig, dass die Maschinen mindestens  im 2-Schichtbetrieb durchgehend laufen, also auch 2 volle Schichten lang Personal die Maschine am laufen hält.

Bei verketteten Prozessen ist auch bei manueller Arbeit ohne Maschine ein Anwesenheit von ausreichend Mitarbeitern erforderlich, um diesen Prozess am laufen zu halten.

Somit müssen sowohl Maschinenbediener, wie auch Kollegen in verketteten Prozessen durchgehend zur richtigen Zeit anwesend sein. 

Jetzt habe ich dargelegt, warum Fertigungsmitarbeiter nur nach festen Schichtpläne arbeiten können und wir uns, insbesondere mit steigender Automatisierung, jegliche Flexibilisierung für die Kollegen abschminken können. 

Thema erledigt, Pech für die Kollegen.

Ich will das aber so einfach nicht akzeptieren. 

Der lange Weg zur Flexibilisierung

Es gibt ja auch immer noch Arbeitsplätze, die nicht in 2 Schichten gebraucht werden und die nicht zu verketteten Prozessen gehören. Insbesondere wenn wir die Fertigung mehr auf One Piece Flow ausrichten.

Da muss es doch möglich sein, dass wir als Firma identifizieren, welche Maschinen wie lange mindestens laufen müssen und Kollegen sich dann selbst dafür einplanen und abstimmen wer morgens früh da ist, um an den kritischen Maschinen zu starten und wer abends bis zum Ende da ist, um die Maschinen am Laufen zu halten. Klar wird da mehr als ein Mitarbeiter benötigt, der früh anfängt und auch mehr als einer, der bis zum Ende bleibt. Aber da dies nicht für alle Arbeitsplätze erforderlich ist, könnte ein gewisser Teil der Mannschaft doch heute schon flexibel arbeiten. Warum machen wir das für die Kollegen nicht schon längst? Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Aber ich befürchte, das ist komplexer als es sich im ersten Moment anhört.

Während wir also die zur Flexibilisierung erforderliche Themen wie Betriebsvereinbarung, Zeitmodelle, Anpassung Schichtzulage, Fallback Plan (wenn es nicht funktioniert), Rahmen des Überstundenkontos und was weiß ich noch alles diskutieren, können wir doch auch parallel noch an dem Argument der Gerechtigkeit arbeiten, weil ja nur manche der Kollegen flexibel werden können. 

Ich glaube, wir können den Personenkreis der Kollegen, die flexibel werden könnten, noch deutlich ausweiten – hin zu 100%, indem wir Kollegen qualifizieren. Je mehr unserer Mitarbeiter unsere Maschinen bedienen können, umso größer ist die Personenzahl, die früh und spät die wichtigen Maschinen laufen lassen können, wobei der Bedarf der Mitarbeiter hierdurch ja nicht steigt. Wenn wir dann Teams bilden, die sich selbst für die kritischen Maschinen/Plätze abstimmen, wer wann da ist, unter Berücksichtigung der erforderlichen Mindest-Mitarbeiterzahl, könnte der Rest ja später zur Frühschicht kommen, bzw. früher zur Spätschicht kommen.

Und so kommen wir dann dahin, dass letztendlich auch Fertigungsmitarbeiter – zumindest in Absprache untereinander – flexiblere Arbeitszeiten bekommen können.

Papierkram zu den Akten legen

Das steigert natürlich den Planungsaufwand, aber wir haben ja sehr gute Planer in unserer Fertigungssteuerung. Diese sind heute ausgelastet mit Planung und Koordinierung der Fertigung, das wird wohl auch bleiben.

Aber zumindest bei uns sind die Kollegen der Fertigungssteuerung auch noch damit beschäftigt, Fertigungsaufträge und  Fertigungsunterlagen auszudrucken, zu sortieren und in der Fertigung zu verteilen, sowie mit dem Starten von Fertigungsaufträgen. Neben dem Umweltthema durch Unmengen an Papier und Tonerverbrauch ist das auch Zeitverschwendung. Hier qualifizieren wir lieber unsere Mitarbeiter aus der Fertigung, in SAP selbst ihre Fertigungsaufträge zu finden und zu starten, sowie die erforderlichen Unterlagen in SAP zu öffnen. 

Damit sparen wir Stunden an Arbeit in der Fertigungssteuerung, die wir besser für die Planung von flexibleren Arbeitszeiten für unsere Kollegen einsetzen können.

Aber wie behält man bei den ganzen nötigen Trainings für die Kollegen parallel zur Arbeit den Überblick und weiß auch, welche Mitarbeiter hier gerne welche zusätzlichen Arbeiten lernen und später auch ausführen würden?

Die Lösung: eine Lern-App

Hierzu liefen uns 2021 glücklicherweise Mona und Rinu von Optimo über den Weg. Nach den ersten Learnings für die beiden zum Thema „Was benötigt eine Fertigung eigentlich für eine LernApp?“ und Learnings für uns in „Was ist mit einer Lernapp möglich?“ haben wir Anfang diesen Jahres angefangen Optimo bei uns einzuführen und die ersten Trainings in der App angelegt. Mittlerweile haben alle Kollegen einen Zugang zu Optimo, 50% der Belegschaft haben ihr erstes Training erfolgreich absolviert und durchschnittlich fast 3 Trainings pro Mitarbeiter sind gerade in Optimo geplant.

Wie sind eure Erfahrungen/Ideen hinsichtlich New Work in der Fertigung?

Und wie qualifiziert ihr eure Mitarbeiter in der Fertigung?

Bei der Vielzahl an Themen, die wir gerade in der Fertigung bei in unserem Werk in Königs Wusterhausen haben, bin ich froh, dass wir eine App zur Koordinierung der ganzen Trainings haben und das nicht in einer Excel-Tabelle festhalten müssen. 


Michael Schwetje
Michael Schwetje

Michael Schwetje ist Geschäftsführer von Marantec electronics in Königs Wusterhausen und Mitglied des Strategieteams der Marantec Group.

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2 Kommentare

  1. Let’s upskill your workforce #together! Es macht richtig Spaß mit dem Marantec-Team zu arbeiten und die Mitarbeitenden in der Produktion für weitere Maschinenskills zu befähigen.

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